Beim ersten Mal, da tut’s besonders weh (oder: Warum die deutsche Wirtschaft besser ist als die italienische)Beim ersten Mal, da tut’s besonders weh

Wenn man am Morgen mit dem Fahrrad zu Arbeit fährt und kurz vor dem Eingang zum Büro blaue Rundumleuchten wahrnimmt, vergißt man für eine Weile die Schwermut, die sich breitmacht, wenn man über die Schwelle tritt. Stattdessen wird alle Emotion in Neugier umgewandelt, um sich kurz darauf in Schadenfreude zu ergießen. Da waren doch drei Autos beim Rechtsabbiegen aufeinandergebumst. Alles Frauen. Oh, wie sich Schadenfreude mit einer gesunden Portion Chauvinismus in lieblich-grimmigen Taumel verwandeln kann!

Feuerwehr war gleich in zwei Zügen vertreten und die Polizei machte sich extrabreit. Das erste Auto war sowas wie eine Familienkutsche; ein Ford Irgendwas oder … irgendwas. Hauptsache rot. Der zweite war ein silberner Kombi, ein Opel. Dessen Hinterteil war schon vom Dritten (einem unschuldigen VW) befreit, der sich nun auf dem Fußweg im Schatten ausruhen durfte. Der Opel sah recht zerknittert aus. Das Heck war eingedrückt – aber man konnte immernoch fahren – selbst mit so einem Hinterteil. Die Vorderseite sah ich nur deshalb, weil die Motorhaube in den Himmel zeigte. Etwas verbogen vorne, sonst aber noch gut. Ein bißchen Draht und das hält… Aber nein: Feuerwehrmänner, welche die Straße kehrten, Polizisten, die lange Romane schrieben (per Hand!) und immer wieder Passanten, die erstmal die Lage sondierten. ‚Na gucke mal da! Was issn da passierd?‘

Drei Frauen also. Aha! Zwei der Delinquentinnen konnte ich sehr gut durch die Jalousien beobachten. Sie standen nebeneinander, wobei eine die Hand in weinerlicher Manier vor den Mund hielt. Das Theater wieder! Hat sie Mitleid mit ihrem Auto oder Angst vor ihrem Mann? Das konnte ich beim besten Willen nicht aus ihr herauslesen. Ich nahm an, beides. Da kann man kaum falsch liegen. Selbst wenn es ihr eigenes Auto war: Ihr Mann war auch ein Chauvinist. Woher ich das weiß? Na bitte, meine Damen, es geht um Kraftfahrzeuge!

Wie ich so den leicht angeknitterten Opel sah und den – (zumindest technisch) gut aussehenden – Ford musterte, kamen mir Zweifel, ob dieses Gehabe der Dame mit der Hand vorm Mund wirklich sein mußte. Aber aber, gute Frau! Also, wenn ich Polizist gewesen wäre… Nonchalant und mit festem Blick hätte ich die verstörte Verkehrsteilnehmerin in den Arm genommen und ihr ins Ohr gehaucht: ‚Es ist doch nur Blech mein Liebe… ‚ Schluchzend hätte sie in meinen Armen gelegen und … Genug geträumt. Ich … wir … sind hier in Deutschland. Womöglich hätte ich nur zu hören bekommen: ‚Erzähl’n se das mal meiner Versicherung!‘ Also Klemmbrett, Fahrzeugschein und Stift gezückt, damit später der Unfall in allen Details nochmal auseinandergenommen werden kann.

Darufhin werden mindestens 12 Leute beschäftigt sein: Jede der Delinquentinnen (=3) muß Rede und Antwort gegenüber ihren Männern stehen (=6) und die müssen das dann ihren Versicherungsfritzen erklären (=9), die sich dann untereinander ärgern. Währenddessen warten die Werkstattmeister (=12) auf das ‚go‘ von den Sesselpupern. Wenn das so nichts wird, kommen noch lustigerweise drei Anwälte (=15) und ein Amtsrichter (=16) hinzu. Die ganze Show zieht sich eine geraume Weile, nur um zu klären, ob Versicherung A 122,47 EUR mehr an Versicherung B bezahlen muß oder sogar noch 8,50 EUR von Versicherung B zurückerstattet bekommt, damit der Opel eine neue Radkappe bekommt. Oh, das hätte ich beinahe vergessen: Wenn sich keiner einigen kann (und das werden sie nicht mehr, wenn der Kadi im Spiel ist), dann steht der Gutachter auf der Matte. Damit hätten wir 17 Personen, die sich um dreimal eingedrücktes Blech kümmern. Von den Kosten nebenher ganz zu schweigen. Was ist Blech wert?
Da dachte ich plötzlich an Italien. Wie wäre das dort wohl gelaufen? Die Damen hätten die Hände schon im Auto hochgerissen, wild gestikulierend, ‚maledetto‘-schreiend, um dann auf hohen Absatzschuhen im Sommerkleidchen und mit ihren riesigen Sonnenbrillen zum Angriff auszuholen. Dann hätten alle geschrien. Von vorne nach hinten. Vielleicht sowas wie: ‚Hast Du keine Augen im Kopf, Schlampe!? Du mußt wohl verrückt sein! Schau Dir das an!…‘ Keine von ihnen hätte auf ihr oder das Auto der anderen geschaut, sondern auf die Marke der Sonnenbrille und der Schuhe ihres Gegenübers. Nach nicht einmal zwei Minuten wären alle wieder in ihre Fiats gestiegen und die Sache wäre erledigt. Keine Versicherungsschlipse, keine Anwälte, keine Werkstattmeister. Jetzt verstehe ich, warum die Italiener viel weniger Arbeit haben als wir Deutschen.

Aber die Deutschen müssen das klären. Die erste Beule im Auto, der erste Kratzer im Lack sind die dramatischsten. Wenn man sich nicht gleicht kümmert und das repariert, geht es nur noch abwärts. Wir Deutschen leiden mit dem Bleche. Wir können Blechschäden beim ersten Mal nicht verwinden. Und weil – nach jeder Reparatur, die soviel Leid, Geld und Schmerz gekostet hat – jeder neue Kratzer eben das Erste Mal nach der Reparatur ist, wird es in Deutschland niemals verbeulte Autos geben. Wir Deutschen fallen nicht auf – unsere Autos sollen das für uns übernehmen.Wenn man am Morgen mit dem Fahrrad zu Arbeit fährt und kurz vor dem Eingang zum Büro blaue Rundumleuchten wahrnimmt, vergißt man für eine Weile die Schwermut, die sich breitmacht, wenn man über die Schwelle tritt. Stattdessen wird alle Emotion in Neugier umgewandelt, um sich kurz darauf in Schadenfreude zu ergießen. Da waren doch drei Autos beim Rechtsabbiegen aufeinandergebumst. Alles Frauen. Oh, wie sich Schadenfreude mit einer gesunden Portion Chauvinismus in lieblich-heiße Freude verwandeln kann!

Feuerwehr war gleich in 2 Zügen vertreten und die Polizei machte sich extrabreit. Das erste Auto war sowas wie eine Familienkutsche; ein Ford Irgendwas oder irgendwas. Hauptsache rot. Der zweite war ein silberner Kombi, ein Opel. Dessen Hinterteil war schon vom Dritten (einem unschuldigen VW) befreit, der sich nun auf dem Fußweg im Schatten ausruhen durfte. Der Opel sah schon ziemlich zerknittert aus. Das Heck war eingedrückt – aber man konnte immernoch fahren – selbst mit so einem Heck. Die Vorderseite sah ich nur deshalb, weil die Motorhaube in den Himmel zeigte. Etwas verbogen vorne, sonst noch gut. Ein bißchen Draht… Aber nein: Feuerwehr, die kehrte, Polizisten, die lange Romane schrieben (per Hand!) und immer wieder Passanten, die erstmal die Lage sondierten. ‚Na gucke mal da! Was issn da passierd?‘

Drei Frauen also. Aha! Zwei der Delinquentinnen konnte ich durch die Jalousien beobachten. Sie standen nebeneinander, wobei eine die Hand in weinerlicher Manier vor den Mund hielt. Das Theater wieder. Hat sie Mitleid mit ihrem Auto oder Angst vor ihrem Mann? Das konnte ich beim besten Willen nicht aus ihr herauslesen. Ich dachte mal: Beides. Kann man kaum falsch liegen. Selbst wenn es ihr Auto war: Ihr Mann war auch ein Chauvinist. Woher ich das weiß? Na bitte, meine Damen, es geht um AUTOS!

Wie ich so den leicht angeknitterten Opel sah und den – (technisch) ziemlich gut aussehenden – Ford musterte, kamen mir Zweifel, ob dieses Gehabe der Dame mit der Hand vorm Mund wirklich sein mußte. Aber aber, gute Frau! Es ist doch nur Blech! Also, wenn ich Polizist gewesen wäre… Nonchalant und mit festem Blick hätte ich die Dame in den Arm genommen und ihr ins Ohr gehaucht: ‚Es ist doch nur Blech mein Liebe… ‚ Dann hatte sie sicher schluchzend in meinen Armen gelegen und … STOP. Ich bin ja hier in Deutschland. Womöglich hätte ich nur zu hören bekommen: ‚Erzähl’n se das mal meiner Versicherung!‘ Also Klemmbrett, Fahrzeugschein und Stift gezückt, damit später der Unfall in allen Details nochmal auseinandergenommen werden kann.

Dann werden mindestens 12 Leute beschäftigt sein: Jede der Delinquentinnen (=3) muß Rede und Antwort gegenüber ihren Männern stehen (=6) und die müssen das dann ihren Versicherungsfritzen erklären (=9), die sich dann untereinander ärgern. Währenddessen warten die Werkstattmeister (=12) auf das GO von den Sesselfurzern. Wenn das alles nichts wird, kommen noch lustigerweise 3 Anwälte (=15) und ein Amtsrichter (=16) hinzu. Die ganze Show zieht sich eine geraume Weile, nur um zu klären, ob Versicherung A 122,47 EUR mehr an Versicherung B bezahlen muß oder sogar noch 8,50 EUR von Versicherung B zurückerstattet bekommt. Oh, das hätte ich beinahe vergessen: Wenn sich keiner einigen kann (und das werden sie nicht), dann steht der Gutachter auf der Matte. Damit hätten wir 17 Personen, die sich um dreimal eingedrücktes Blech kümmern. Von den Kosten nebenher ganz zu schweigen. Was ist Blech wert?
Da dachte ich plötzlich an Italien. Wie wäre das dort wohl gelaufen? Die Damen hätten die Hände schon im Auto hochgerissen, wild gestikulierend, ‚maledetto‘-schreiend, um dann auf hohen Absatzschuhen im Sommerkleidchen und mit ihren riesigen Sonnenbrillen zum Angriff auszuholen. Dann hätten alle geschrien. Von vorne nach hinten. Vielleicht sowas wie: ‚Hast Du keine Augen im Kopf, Schlampe!? Du mußt wohl verrückt sein! Schau Dir das an!…‘ Und keine hätte auf ihr Auto geschaut, sondern auf die Sonnenbrille und die Schuhe ihres Gegenübers. Nach nicht mal zwei Minuten wären alle wieder ins Auto gestiegen und die Sache wäre erledigt. Keine Versicherungsschlipse, keine Anwälte, keine Werkstattmeister. Jetzt verstehe ich, warum die Italiener viel weniger Arbeit haben als wir Deutschen.

Aber die Deutschen müssen das klären. Die erste Beule im Auto, der erste Kratzer im Lack sind die dramatischsten. Wenn man sich nicht gleicht kümmert und das repariert, geht es nur noch abwärts. Wir Deutschen leiden mit dem Bleche. Wir können Blechschäden beim ersten Mal nicht verwinden. Und weil – nach jeder Reparatur, die soviel Leid, Geld und Schmerz gekostet hat – jeder neue Kratzer eben das Erste Mal nach der Reparatur ist, wird es in Deutschland niemals verbeulte Autos geben. Wir Deutschen fallen nicht auf – unsere Autos sollen das für uns übernehmen.