Der Wert des Wassers

Morgens beim Duschen. Das warme Wasser versinkt im Abfluß, Sekunde um Sekunde und ich denke bei mir: Wie war das früher mit dem Waschlappen?! Was haben wir Wasser gespart! Angenehm, zu duschen. Besonders hier in Christchurch haben die Erdbeben Wasser kostbar werden lassen. Leitungen wurden zerstört oder verstopft, die Abwasser-Aufbereitungsanlage wird noch ein Jahr später repariert und doch fließt es. Es gab ein paar Auflagen im Sommer: Keinen Rasen sprengen, Wasser sparen. Dann gab es Festlegungen, wer in der Stadt an welchem Tag Wasser für seinen Garten anzapfen durfte. Das waren staatliche Eingriffe durch den City-Council. Hätte ich mir um meinen Rasen Sorgen gemacht, wäre mir die Auflage durch die Stadtverwaltung wie eine Freiheitseinschränkung vorgekommen, wie Bevormundung. Für (Neo)Liberalisten ist die Vorstellung staatlicher Bevormundung unerträglich. Sie läßt dem Markt keine Freiheit.[subscribe2]

Das Gesetz des freien Marktes hätte demnach alles geregelt: Wenn Wasser knapp wird, muß es eben teurer werden. Ein kostbares Gut, das mit Geld aufgewogen wird. Es wundert mich, wie viele Stadtteile in Christchurch ausgetrocknet wären. Nur der feine englische Rasen der Besserverdiener wäre grün geblieben. Das ist nach den Standards des laissez-faire Kapitalismus fair. Doch wie ist es menschlich?

Eines vorweg: In Christchurch kann das nicht passieren. Wasser wird hier pauschal vom Hauseigentümer bezahlt, also nicht nach einer Uhr am Rohr, welche die Kubikmeter zählt. Es wird den Neuseeländern soviel Verantwortung zugemessen, sparsam damit umzugehen. Wenn die Stadtverwaltung Auflagen macht, wird sich daran gehalten. Niemand hat mir gegenüber jemals erwähnt, in seinen Rechten beschnitten worden zu sein. Das gleiche Szenario in Deutschland: Die Wasserpreise steigen. Manche Leute werden – den Gesetzen des „Marktes“ entsprechend – weniger Wasser verbrauchen, weil sie es sich einfach nicht leisten können. Geld wird zum Mittel der Freiheit, sein Entzug das Mittel zum Zwang. Den Staat können wir nicht belangen, denn er macht die Preise nicht.

Und nun? Muß ich den Markt verantwortlich machen? Sicher. Doch wo ist er? Er ist nicht greifbar. Er ist ein Naturgesetz, eine Ideologie, eine Religion. Es wird Zeit, sich vom „Markt“ zu verabschieden und an den menschliche Bedürfnisse zu denken. Schön, daß es in machen Teilen der Welt sowas noch gibt.