Ist der Deutsche anders?

Eine seltsam anmutende Frage, die aber vor allem nach dem 2. Weltkrieg oft gestellt wurde. „Ist der Deutsche von Natur aus folgsamer als andere Nationalitäten?“ Stanley Milgram, ein US amerikanischer Wissenschaftler bezweifelte, dass Hörigkeit eine deutsche Eigentümlichkeit sei und ging dieser Frage 1961 mit den als „Milgram Experiments“ bekannt gewordenen Tests nach: Die Versuchsperson wurde in der Rolle als Lehrer an ein Pult gesetzt, eine andere Person, der Schüler, saß, an einen Stuhl gefesselt, in einem Nebenraum. Die Regeln waren einfach: Der Lehrer stellte dem Schüler Fragen, wurden diese falsch beantwortet, hatte der Lehrer den Schüler zu bestrafen. Die Strafe bestand in Elektro-Schocks, beginnend mit 15 Volt. Ein Versuchsleiter saß oder stand hinter dem „Lehrer“ und gab – je nach Szenario – die Aufforderung zur Bestrafung. Bei jedem erneuten Fehler wurde der Schüler mit stärkeren Stromstößen bestraft.Eine seltsam anmutende Frage, die aber vor allem nach dem 2. Weltkrieg oft gestellt wurde. „Ist der Deutsche von Natur aus folgsam?“ Das versuchten die Experimente heraus zu finden, wobei es tatsächlich nicht um ‚Deutschsein‘ ging, sondern um wissenschaftliche Methode.
Der Schüler war allerdings ein Schauspieler und kein Strom floß durch die Leitung. Das wußte aber keiner der Lehrer: keine der Versuchspersonen brach das Experiment ab, bevor dem Schüler wenigstens 300 Volt Spannung auferlegt wurden. Auch als der Schüler sich sich wimmernd, schreiend und bettelnd auf dem Stuhl wandt,  erhöhten sie die Spannung auf Anordnung des Versuchsleiters. Dieses Experiment, das später weltweit wiederholt wurde, mit insgesamt 80 Millionen Versuchspersonen, wies nach, daß Gehorsamkeit kein ausschließlich deutsches Phänomen ist.

Nach der langen Vorgeschichte, zum Kern: Ich schäme mich für drei meiner Landsleute, die in der vergangenen Woche hier in Christchurch ihr Unwesen trieben. In einem sog. red-zone Haus in meiner unmittelbaren Nachbarschaft hatten sich die drei eingerichtet: Ein Zelt inmitten des Wohnzimmers aufgeschlagen. Als die CERA – die Kommission zur Aufarbeitung der Erdbebenschäden routinemäßig durch die Wohnung gingen, trafen sie auf die drei Deutschen. Und sie trafen auch auf deren Fäkalien, die sie in einem der Nebenzimmer einfach auf dem Teppich hinterließen. Diese unappetitliche Geschichte ist mit GoPro Kameras festgehalten worden; wenn jemand als Visuelles braucht, hier der Link: stuff.co.nz.

Was die bis hier beschriebenen Geschichten gemein haben: Sie treffen mich als Auswanderer besonders. Die zweite Geschichte machte die Runde durch die Nachbarschaft, durch Christchurch und Neuseeland und ich bin mir sicher, daß einige Kiwis ausgespuckt und generalisiert haben. Die Deutschen! Das Milgram Experiment bewies zwar, daß Nationalität keine Unterschiede im Mensch-Sein mit sich bringt, die Hausbesetzer-Geschichte hält die Realität dagegen: Zwar hat keiner der Neuseeländer mit einem generalisierenden Unterton kommentiert. Doch habe ich das Gefühl, daß Freunden und Bekannten in Christchurch, diese Geschichte schneller einfällt, wenn sie mich, the German sehen.