Twitter kennt die Zukunft

Von der Universität Bristol verlautete kürzlich, daß die Londoner Krawalle vorausgesagt hätten können. Das ergab eine Studie, die eine halbe Milliarde Tweets der Briten untersuchte und dabei gesellschaftliche Stimmungsbilder erarbeitete. Das geschieht durch computergestützte Suche nach Mustern, die sich an bestimmte Begriffe der menschlichen Sprache anlehnen. Statistisch läßt sich so Ärger, Wut oder kollektive Freude ausmachen.

Das ist kein neues Prinzip; in der Tat ist das typisch für soziale Netzwerke im Internet: Ihre Daten sind eine Aggregation menschlicher Befindlichkeiten. Google’s und facebook’s Dasein stützt sich auf diese Tatsache. Diese Unternehmen besitzen Daten, die in Echtzeit ausgewertet werden.

Interessant sind die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Stellen Sie sich vor, in Berlin werden die Bananen knapp – durch facebook und Twitter erfährt man im Prinzip unmittelbar davon. Was liegt näher, als sich in Potsdam einen Lkw voller Bananen zu laden und diese dann auf dem Alexanderplatz feilzubieten? Dieses – zugegeben schräge – Beispiel dient nur der Verdeutlichung des geschäftlichen Potentials und der Macht, die in diesen Datensammlungen liegt.

Nie zuvor haben Menschen ihre privaten Daten so bereitwillig freigegeben wie zu Zeiten von Twitter, facebook und Google. Alle Bedenken über Datenschutz sind fehlgeleitet: Der Internet-Nutzer liest zu 99% keine Datenschutzbestimmungen und wenn über Risiken des Umgangs mit persönlichen Daten diskutiert wird, reduziert sich das Thema auf die Sicherheit individueller Daten auf den entsprechenden Servern der Betreiber. Das Bewußtsein, daß jedes Wort, jedes Bild, jedes Video oder Musikstück was ein Nutzer verbreitet – sei es sein Werk oder eine Kopie, erstreckt sich nicht darauf, daß dies eine persönliche Äußerung darstellt. Private Daten sind nicht mein Name und Geburtsdatum allein, sondern alle meiner öffentlichen Äußerungen.

Selbst der Begriff „Öffentlichkeit“ besitzt im Internet eine andere Bedeutung als im herkömmlichen Sinne. Es gibt nur öffentliche Daten im Netz. Selbst die als privat markierten sind von den Betreibern von Internet-Plattformen statistisch auswertbar. Das erklärt das große Interesse der Medien-Lobby und Aktionen wie ACTA oder CISPA wie auch das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an den Datenschätzen der großen sozialen Netzwerke. Bald steht die Polizei schon vor einer Versammlung parat.

Wir liefern uns selber aus und wir kennen WikiLeaks: Gesetz oder Sicherheitsvorkehrungen hin oder her – Datenlecks wird es immer geben. Und was sich einmal auf den Festplatten des FBI, des Verfassungsschutzes oder wem auch immer befindet, macht jeden von uns zum gläsernen Menschen.