Brandmauern

So, Friedrich, haben wir auf’s richtige Pferd gesetzt? Friedrichs Hand verkrampfte sich am Telefon. Er blieb gelassen. Das war jahrelanges Training — das immerwährende Durchbeißen, das Behaupten, das Gehört- und Angefeindet-Werden. Das hatte ihn hart gemacht. Und doch war Macht eine volatile Angelegenheit.  In zwei Wochen hören wir uns. Klick. Friedrich atmete tief durch und starrte eine Weile auf das schwarze Display seines Telefons. Er straffte sich, legte zackig kurz seinen Kopf in den Nacken und tätigte einen Anruf.  Ihr druckt neue Plakate, in Ordnung? Irgendetwas, das in die Migrations-Kerbe haut. Nein, ja… weiter ins Blaue. Ja, provokant nicht… wir müssen nicht provozieren. Das machen die Blauen ja. Aber wir… ja… ich werden… ich werde ankündigen, dass wir die Idee […]

Eine Faust, sie zu befreien. Trump und das Attentat.

Auf Donald Trump wurde geschossen. Trotzig hebt er die Faust, kurz nachdem er sich besonnen hatte vom Streifschuss am Ohr. Ein Bild, das sich einprägen soll. „Fight!” Es ist ein Befreiungskampf zu welchem er aufruft. Es sind immer Befreiungskämpfe, denn niemand kämpft für Unfreiheit. Wovon sollen sich Trumps Anhänger seiner Ansicht nach befreien? Es ist nicht die Befreiung von Gewalt — im Gegenteil. Sie wird zum Mittel  im heiligen Kampf gegen alle die Feinde, die (angeblich) selbst gewalttätig sind oder sein werden. Die Strategie ist so alt wie infantil: Wehret Euch! Wogegen ist eine Frage, die sukzessive geklärt wird. Nach und nach werden die Feinde deutlich. Es geht nicht darum, dass sich die einzelnen Anhänger individuell befreien, sondern um das […]

Gewissen, Wert und Normalisierung

Dieses Essay wurde zum deutschlandweiten Schreibwettbewerb "Die Freiheit, die ich meine" eingereicht und ausgezeichnet. Im Jahre 1989 war ich in Sorge. Ich wollte nicht, dass die Mauer fällt. Ich fürchtete, dass der imperialistische Feind auf unsere Seite kommt. Mein vierzehn Jahre altes Gewissen fühlte sich rein an — zumindest wenn man davon absah, dass ich mit meinem Freund Patrick gelegentlich Zigaretten aus der „Ernte 23” Schachtel seines Vaters geklaut hatte. Der Sozialismus war eine Lebensordnung, die ein Kind konditionierte und zugleich behütete. Glücklicherweise endete er als ich zum Jugendlichen initiiert wurde. Sonst hätte ich das Korsett gespürt, das mir wie unter einem römischen Vater, mein ganzes Leben lang keine Emanzipation gewährt hätte.