Individuelle Massenproduktion

Der Individualismus der 1970er äußerte sich im Folgejahrzehnt in Ausgefallenheit: Ob Mode, Autos, Makuep oder Musik. Eine Art überschießende Innentendenz war zu sehen. Die Verheißung des jungen Neoliberalismus war es, von der Massenware zur individuellen Produktion überzugehen. Vierzig Jahre später ist die Massenware allgegenwärtig, aber ihre Tarnung ist besser geworden. Automobile präsentieren sich in verschiedenen Karossen mit den gleichen Innereien. Hervorragend ist der Staubsauger. Er stammt aus dem späten 19. Jahrhundert und hat sich prinzipiell nicht weiterentwickelt. In tausenden verschiedenen Designs ist er erhältlich und die Ideen scheinen nicht auszugehen. Technik ist zu dem geworden, was Mode ist; ein Spielzeug und Luxus ohne Notwendigkeit. Designs und Gimmicks, also spezielle Funktionen, die aus einem Staubsauger ein "Pro"-Modell machen, sind Mittel zur Klassifizierung. Sie muß dem Typ des Konsumenten entsprechen, der sich damit klassifizieren lassen muß. Sie ist eine so hochgradig differenzierte Klassifizierung, dass sich alle "Typen" von Personen einfangen lassen. Dabei bleiben offene Lücken zwischen den Typen, die Nuancen, die jede Person so verschieden macht. Es ist eine Tendenz des Kapitalistischen und auch des Politischen, die feinen Typisierungen zu vergröbern. Ab einem bestimmten Punkt übernimmt eine Hybris, die mit immer simpleren Methoden immer krassere Verhalten erreichen will. Die großen, offenen Begriffe wie Freiheit oder Würde beginnen, diese Umstände zu spiegeln. Freiheit […]

E-Fuels zersetzen die Demokratie

Eine demokratische Willensbildung oder -beeinflussung anstrebt, hat keine Argumente, die gehört und diskutiert werden, sondern hinter dem Verschwörungstheoretiker- und Nazi-Hype zurückstehen. Die Nachricht: "Man kann mit solchen Menschen nicht reden" (Verschwörungstheoretiker). Oder "man darf mit diesen Leuten nicht reden" (rechtes Spektrum). Diese politische Ohnmacht wird zum eigentlichen Sprengstoff. ("Dann bin ich eben Nazi!") Und es stellt sich beinahe die Frage, ob Politiker wie Christian Lindner sich diesen Effekt zunutze machen.

Der heiße Herbst der Presse

Es gibt beim ZDF, wie auch bei vielen anderen journalistischen Plattformen, durchaus tiefgehend recherchierte Berichte und Dokumentationen, die Hintergründe aufgreifen. Sie gehören allerdings nicht zu den Medien der prime time, welche die Masse der Rezipienten erreichen. Es scheint, als gäbe es zwei Parallelwelten des Journalismus: Die der Schlagzeilen und die der Recherchen. Die Stimmung im Land wird durch erstere stärker beeinflusst.

Wettbewerbsfähigkeit oder warmer Arsch?

Es geht um die Existenz und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Energieversorger. Der Bundeswirtschaftsminister sagt es, ein Wirtschaftsprofessor sagt es, Achim Derks, der Hauptgeschäftsführer Deutscher Industrie- und Handelskammer bestätigt es. Man erkennt ein Muster: Dreimal Leute, denen "Wirtschaft" auf die Stirn geschrieben steht. Gleichförmig wird das Mantra einer starken Wirtschaft beschworen, weil deren Absturz - nach meiner jener Experten - uns alle in den Abgrund reißt. De facto heißt das also, frieren für die Wirtschaft. Sicher: Private Haushalte verbrauchen enorme Mengen an Energie und Einsparung ist das einzig wahre nachhaltige Mittel gegen Klimakrise und eine unmenschliche Pareto-Effizienz. Nach dieser beuten wir, kurz gesagt, andere aus, um in überbordendem Luxus zu leben. Das hört sich für die meisten von uns befremdlich an; jedoch ist […]

Putin hier, Putin da

Er wird gehasst, angeklagt, verteidigt. Sein Gesicht ist überall und wurde zum Inbegriff des Angriffskrieges auf die Ukraine. Nun kocht die Gerüchteküche darüber, was mit Wladimir Putin nicht in Ordnung sein könnte. Ist er wahnsinnig? Hat er Krebs, Aids, Parkinson, oder alles auf einmal? Warum Putin diesen Krieg führt ist seit seinem Beginn der berüchtigte Haken an welchem sich nahezu alle journalistischem Beiträge aufhängen. Allerdings wird außerhalb Russlands lediglich spekuliert und es werden Behauptungen aufgestellt und Was-wäre-wenn Szenarien diskutiert. Wer aus Russland direkt berichtet, dem drohen bei unvorsichtiger Äußerung von Wahrheiten fünfzehn Jahre Haft, während der Westen journalistisch auf Boulevard-Nivau bleibt. Wer sich in die Kriegsgebiete wagt und von dort berichtet, hat nichts außer Zerstörung vorzuzeigen. Nichts, was diesen Krieg […]