Armutssafari.

Als ich das Buch “Armutssafari. Von der Wut der abgehängten Unterschicht” kaufte, erwartete ich womöglich die Geschichte von jemandem, der sich auf “Safari” durch die Armut begibt, was immer das heißt. Die ersten Kapitel behandelten die persönliche Geschichte eines in Glasgow, in einem kaputten Haushalt aufgewachsenen Menschen, der die Armut kennt. Die Geschichte wurde schnell sozialkritisch, als er den geplanten Bau der Autobahn durch den lokalen Park und die vorausgehenden Proteste, die daraus erwachsende Gemeinschaft und die letztendliche Realisierung des Großprojekts, inklusive Shopping-Malls beschrieb. Nach und nach nahm die Richtung Konturen an. Ein Gedanke schien durch, den Darren McGarvey in Synthese mit Armut brachte: Vorurteil und Ablehnung. Es war plausibel, seiner Auffassung zu folgen. Wer sich als Teil einer Klasse begreift, ist in Abgrenzung den anderen gegenüber ungerecht. Eine Selbstgerechtigkeit, die in der “unteren” Schicht als Trotz und von allen darüber als Herablassung erscheint. Es kommt auf die Perspektive an. Nach und nach kristallisiert sich eine versöhnende Richtung heraus, die ich vollkommen unterstütze: Die kritische Selbstreflexion als Angelpunkt für das Miteinander, das Grenzen, im idealen Sinne, verwischt oder sogar auflöst. Doch dann die Enttäuschung: Er wird Vater und beginnt, sich plötzlich ganz anders zu reflektieren. Letztlich ist die Verantwortung jene, ein (selbst)kritischer Mitmensch zu sein, was McGarvey durch den Kontrast […]

Wachstum als Notwendigkeit der Sinngebung

Marx: „Das Bedürfnis nach einem ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeosie über die ganze Erdkugel.“ Und woher kommt dieses Bedürfnis nach Wachstum? Dem scheint niemand tatsächlich nachgegangen zu sein. Naturrechtliche Philosophie hat das Problem, daß sie von einer Vernunft beim Menschen ausgeht, die seine Emotionalität nicht berücksichtigt. Emotionalität ist das Eigentliche, welches man verfolgen muß. Gesellschafts- oder systemstrukturelle rationale Überlegungen sind nicht nötig. Wachstum entsteht aus dem Bedürfnis sich existentieller Ängste zu entledigen. Aus den ökonomischen Minima entsteht die Vorsorge, eine positiv rückversichernde Perspektive für die nahe und weite Zukunft. Der Mensch wägt sich in psychologischer Sicherheit, einem Gefühl der Ausgeglichenheit, wenn im Wachstum seine Anstrengungen reflektiert werden. Seine eigene Tüchtigkeit wird rückbestätigt. Ökonomie ohne Wachstum kann nicht […]

Gleichheit und Diskurs? Pah...

Ökonomie in Form des modernen Neoliberalismus hat ihre Berechtigung nach und nach aus einer wissenschaftlichen Fundierung gezogen und was allenfalls eine Theorie war (Adam Smith, etc.) wurde nach und nach zum Glauben. Als Daniel Kahnemann in den 1990ern den rationalen homo oeconomicus der Vernunft entledigte und ihn als irrationales, emotionales und verlustängstiges Wesen hinstellte, hätte eigentlich Schluß sein müssen mit dem Irrsinn des Wachstums. Und vielleicht hat gerade eine einsetzende Irrationalität („Angst“) des Systems zu seiner energischen Verteidungung geführt. Mehr Angebot, mehr Terror, mehr Ablenkung, mehr Heilsversprechen.

Die Bauhausierung der Handarbeit

Handarbeit ist etwas Schönes, wenn sie ein Handwerk ist. Aber die "Bauhausierung" der Lebensumstände hat Handarbeit zu Luxus gemacht. Was soll "Bauhausierung" bedeuten? Spätestens als Henry Ford die Fließbandarbeit eingeführt hatte die Bedeutung von „Handarbeit” eine neue Dimension gewonnen. Es gab plötzlich Verwalter, Beamte, Angstellte und Arbeiter für die Massenproduktion von Gütern. Dann folgte etwas, das die Kommodisierung ins Leben rief. Diese hat alles und jeden zur Ware gemacht und die Standardisierung hat nicht Handarbeit teurer werden lassen, sondern die Produkte wertloser. Unsere heutige Lebensweise kennt keine Nachhaltigkeit, weil Nachhaltigkeit zu teuer, wie auch Handarbeit zu teuer ist. Und obwohl es wahrscheinlicher wird, dass die Menschheit wieder auf ein Zeitalter der Handarbeit zusteuern könnte, ist die Idee des homo oeconomicus […]

(K)ein Nachruf auf Trump

"Donald Trump kümmert sich nur um eins: Donald Trump." Eine ZDF-Dokumentation führt Donald J. Trump noch einmal vor. Und zwar für das, was er ist. Er verkörpert das Asoziale, weil er, von einer triebhaften Rücksichtslosigkeit befeuert, ein pathologischer Egoist ist. Womöglich hat sein Vater, ein grenzlegal geschäftemachender Immobilienhai, die dogmatischen Grundlagen gelegt und damit seinen Sohn Donald Jr. zu einem Getriebenen gemacht. Interessant sind im Rückblick unter andern die ganz alten Kamellen, wie beispielsweise 1997, wo die amtierende "Miss Universe", Alicia Machado, von Trump zu einem Fitness-Trainer geschleift wird und im Licht zahlreicher Kameras einen Workout vortanzt. "I own the place" heißt bei Trump auch, daß er mit dem Trainer über das Gewicht der Dame ("she") diskutieren kann, während man […]

Grün & Konservativ

Es ist verwirrend, wenn man die Begriffe links, rechts, progressiv und konservativ verorten will. Nehmen wir die Grünen: Die sind eigentlich progressiv, wie sie daherkommen und vertreten zutiefst konservative Werte. Wenn es um den Erhalt der Ökologie, der Natur, der natürlichen Lebensräume geht, wird da auf etwas Hergebrachtes, Uraltes, Ultra-Konservatives als Wert verwiesen. Der Umstand, dass genau das progressiv erscheint, sollte uns zu denken geben, ob wir schon in einer Welt jenseits natürlichem Gleichgewichts leben. Dann sind da die Schwarzen, die sich als Konservative sehen, weil sie ein mystizistisches C wie "christlich" vor sich hertragen. Ihre Konservativität ist aber keine christliche, sondern eine materialistische. Bewahrt werden solche Werte, die sich in Kapital ausdrücken und zugleich hinter Progressivität verstecken. "Innovation", "Flexibilität" […]

Alles anzweifeln? Ja. Leben mit Covid.

De omnibus dubitandum est. Alles muß bezweifelt werden, wie Sören Kierkegaard in seinem gleichnamigen, posthum veröffentlichten Werk titelt. So steht es auch auf dieser Webseite und im Licht der jüngsten Ereignisse in Deutschland und der Welt, schleicht sich der Zweifel ein, ob es gut ist, das so stehen zu lassen. Ja, das ist es. Zwar nutzen die Covid-Gegner und alle Mitläufer der bunt gewürfelten Haufen das Mantra, dass alles zu bezweifeln sei, doch verstehen sie keinen Deut davon. Denn ihre Überzeugungen stehen unzweifelhaft fest. Womit der argumentative Kreis schon geschlossen ist. Der Argumentationen von Menschen wie Ballweg, Hildmann und Co. zu begegnen ist nicht nur müßig; es ist, als müsse man in der schulischen Mittelstufe von vorn beginnen. Trotz allem […]

Bedingungsloses Grundeinkommen? Jein.

Ob 1.000, 1.300, 2.000 oder 10.000 Euro pro Monat: Die "Selbsregulierungskräfte des Marktes" werden hier entsprechend in Aktion treten, um die Beträge zu entwerten. Insbesondere der Inflationsmechanismus wird in Gang gesetzt werden. Auch wenn das Bürgergeld erarbeitet wurde, ist seine Auszahlung quasi eine Schenkung, sie erzeugt keine Gegenleistung in Arbeit oder Gütern. Diese Einseitigkeit bringt Ökonomen dazu, von Inflation zu reden. Weil dem Geld nun weniger Waren gegenüberstehen, vermindert sich seine Kaufkraft. Erstaunlich, dass dieses Prinzip offenbar nicht für Kapitalerträge gilt, wo Zinsen und Renditen aus Geld selbst gezogen werden.

Zellophane Freiheit

Worin sich der DDR-Bürger wiederfand, war eine Gesellschaft, deren Fundament auf den Theorien des liberalen Gesellschaftsvertrages fußte. Danach gab jeder Bürger einen Teil seiner Freiheit ab - zum Beispiel die Freiheit, anderen Schaden zuzufügen, mittels Mord, Körperverletzung, Diebstahl, etc. um im Gegenzug das Gleiche vom anderen erwarten zu können. Im Unterschied zum Sozialismus war dies keine autoritäre Verordnung, sondern die Verantwortung freier Demokraten, die miteinander in Vertragsbeziehungen tragen.