Warum die (Haus)Preise steigen

Seltsam, wie man am Wort des Mannes hängt, der predigt. Die Experten reden besorgt, doch ist da immer ein Lichtstreif am Horizont. Sie sind die Prediger der Asozialen, deren Credo es ist, in Freiheit zu leben und andere in Freiheit leben zu lassen. Wenn die anderen folgsam sind und arbeiten. Aus diesem Grund sind die Arbeitenden jene, welche die Arbeitslosen nicht mögen. Sie hassen die Faulheit und Dummheit derer, die nichts beizutragen haben. Denn das Prinzip ihrer Leistung ist — so beschwerlich es sein mag — doch ein lohnendes. Und wer arbeitet, arbeitet für Schmarotzer mit. Mir hat auch niemand etwas geschenkt.

Wir leben in einer beschissenen Zeit. Die Freiheit ist grenzenlos, die Gesellschaft ist offen, wir haben gleiche Rechte und gleiche Stellung. Und wir haben sie nicht. Wir leben in einem Zeitalter der Paradoxie. Alle Güter scheinen verfügbar, jederzeit und überall. Die Regale sind gefüllt, wobei die Aufregung einsetzt, sobald das Klopapier aus ist. Dann greift die Angst um sich, die nur einen Menschen ergreifen kann, der auf solch paradoxe Weise aufgeklärt ist, wie wir. Wir spüren etwas von  Sorge aus dem Unterbewußten aufsteigen und atmen auf, wenn die Regale wieder mit Klopapier gefüllt sind. Etwas hatte die Lieferketten unterbrochen. Man muß immer mit dem Schlimmsten rechnen, doch das Schlimmste wird ja nie eintreten, oder? Irgendwer kümmert sich. Das System läßt uns nicht im Stich, wenn wir es nicht im Stich lassen,

Seltsam, wie man am Wort des Mannes hängt, der predigt. Die Experten reden besorgt, doch ist da immer ein Lichtstreif am Horizont. Sie sind die Prediger der Asozialen, deren Credo es ist, in Freiheit zu leben und andere in Freiheit leben zu lassen. Wenn die anderen folgsam sind und arbeiten. Aus diesem Grund sind die Arbeitenden jene, welche die Arbeitslosen nicht mögen. Sie hassen die Faulheit und Dummheit derer, die nichts beizutragen haben. Denn das Prinzip ihrer Leistung ist — so beschwerlich es sein mag — doch ein lohnendes. Und wer arbeitet, arbeitet für Schmarotzer mit. Mir hat auch niemand etwas geschenkt.

Für die Abgehängten predigen die sozialen Blutegel. Die Zyniker, die sich anmaßen, Seligkeit zu versprechen, unter einer Bedingung: Dem Beitrag in Geld. Zitat von einem US-Prediger: “Alles was du hast, sind diese 1000 Dollar. Das ist nicht genug, um das Haus zu kaufen. Du versuchst, ein Apartment zu kaufen [mitfühlendes Lachen]… das ist ohnehin nicht genug Geld. Nimm den Telefonhörer in die Hand, steck diesen Samen in die Erde und sieh Gott zu, wie er die Dinge für dich in Ordnung bringt.” Das kurze Lachen des Predigers irritiert uns nicht. Wir zucken mit den Schultern, lächeln mit einer Träne der Wehmut und akzeptieren unser Elend. Es ist nicht Gott, an den wir glauben, sondern daran, dass der Prediger seinen Zeigefinger auf uns richtet, auf mich. Selbst ein Brief, der mich namentlich erwähnt und Geld für die Kirche fordert, vermag es, uns einzufangen. Wir leben im Zeitalter sozialer Deprivierung, in der wir alles tun, um von anderen beachtet und ernst genommen zu werden. Herrgott, Menschen gehen zum Arzt, um jemanden zu haben, der mit ihnen und über sie redet.  

Die wichtigen Begriffe wurden im Zeitalter der Anti-Aufklärung reduziert. Freiheit, Verantwortung, Glück. Das sind keine Güter, die jederzeit verfügbar sind. Wir müssen sie uns verdienen. Die Bedingung des Glücks umgibt uns jederzeit. Tüchtigkeit die sich in Glück verwandelt, wenn die Härte des Lebens, die Scheiße, die es uns gibt, zu feinen Goldfäden gewoben wird. Ein Märchen, das wir glauben. Das große Paradoxon des aufgeklärten Menschen. Er will nicht zu Gott, er will gehört werden, er will, dass sich seine Tüchtigkeit, sein Leid, seine Sorge auszahlt. 

Es gibt Güter im Überfluß. Bloß das Glück ist knapp. Und der aufgeklärte Mensch ist jener, welcher in der Verantwortung steht, sein eigenes Glück zu verwirklichen. Der Mensch kann sich nicht herauswinden aus der Verantwortung, denn er ist ein autonomes und frei-willentliches Wesen heißt es. Wer soll Verantwortung tragen, wenn nicht das Individuum selbst? Der Kern der neoliberalistischen Ellenbogengesellschaft, deren Bedingung Leistung ist, liegt genau an dieser Stelle. Dort, wo er sich mit der Selbstauffassung des Individuums überlagert. Da steht der Mensch im Licht, aus welchem er nicht treten kann, will er kein dumpfes Tier sein. Wer sein Glück zu verantworten hat, verantwortet sein Unglück.

Wir haben akzeptiert, dass Öknomie zur Wissenschaft erhoben wurde. Denn die Ökonomie scheint mathematisch-logischen Mechanismen zu unterliegen. Der homo oeconomicus ist der Versuch, den aufgeklärten Menschen auf ein haushaltendes Wesen zu reduzieren, dass vernünftig sein muß. Es muß arbeiten, sich versichern, vorausdenken, sparen — oder, wenn die Lage es erfordert, das Gesparte ausgeben.

Wir haben akzeptiert, dass Freiheit eine Reduktion ist, in deren Fokus das Geldverdienen rückt. Denn Geld macht frei. Die Bedingung zur Freiheit ist zunächst jene, die in Auschwitz auf den Toren steht. Um es nicht mißverstanden zu wissen: Der Mensch arbeitet, weil er arbeiten will. Wird Arbeit zur Bedingung von Freiheit gemacht, arbeitet der Mensch, weil er muß. Er muß nämlich frei sein.

Freiheit ist ein Teil von Glück. Soviel steht fest. Glück ist vielleicht ein Moment oder der Moment, das Dasein an sich, ohne zu denken. Ohne zu denken! Vernunft, die reduziert ist auf Methode und Rationalität ist auf ein Werkzeug reduziert, dass Ziele erreichen will. Sie will, kurz gesagt, einen Zustand des Glücks erreichen. Rationalität und Methode haben nicht das Zeug dazu, zu erklären, was Glück sein kann. Deswegen braucht es Glauben. Er verheißt dem Menschen das Ziel und wird zu Orientierung, die er so sehr braucht, um wirken zu können. Das Paradoxe daran ist, dass das Ziel ein Moment ist (wenn Glück im Moment liegt), der sich durch Anstrengung (Tüchtigkeit, Leistung, Arbeit, etc) verwirklichen soll. Es ist ein zukünftiger Moment, der nicht existiert und doch schon im Jetzt und Hier da ist. Das Getrieben-Sein wird zum Motor unserer Existenz, seine Daseinsberechtigung zieht es aus der Präsupposition der Vernunft. Mit anderen Worten: Wir haben die Vernunft auf Rationalität reduziert, deren einzige Aufgabe es ist, Probleme zu lösen. Nämlich uns aus der Situation der Sorge und des Unglücks zum Glück hin zu bewegen. Damit wird aus dem so reichen und mannigfaltigen, emotional und rational gefüllten Begriff Vernunft die Reduktion auf pure Rationalität. Den Einsatz unserer Rationalität verlangt wiederum jene “Vernunft”, die zur puren Rationalität verkommen ist und paradoxerweise von Sorge und Dissonanz getrieben wird. Es ist unsere Verantwortung als Vernunftwesen Mensch, eigenverantwortlich für uns zu sorgen. Aber eben nur mittels Methode einem Zustand zu entfliehen, dem permanente Unzufriedenheit zugrunde liegt.

Die Verlustangst der Begüterten in einer hochentwickelten, ökonomisch reichen Gesellschaft ist das Pendant zur Sorge der Minderbemittelten. Die Unzufriedenheit lebt von der permanent nagenden Sorge, die Güter zu verlieren und dabei einen Teil von sich selbst zu verlieren. Dieser Teil ist die Potenz, die man durch Arbeit und Tüchtigkeit erworben hat. Kurzum, kann man den Millionären dieser Welt das Beileid aussprechen. Sie laufen im Wettrennen ganz vorne mit und leben in der Angst, eingeholt zu werden, während auf den hinteren Plätzen die Aufholjagd große Anstrengung kostet. Das Laufen an sich wiederum sorgt für Stabilität. Hier liegt die Verquickung des Ökonomischen mit dem Gesellschaftlichen. Die Gesellschaft glaubt, ohne die permanente Bewegung ihre Struktur zu verlieren. Was in gewisser Weise der Fall ist. Deswegen ist eines der wichtigsten Wörter aller Schlachtrufe: Arbeitsplätze!

Es hat lange hat funktioniert. Der Fetisch Geld hat seinen Wert schon immer aus der Anerkennung und Beachtung durch den Menschen erfahren. Die Währung, die einst aus Muscheln bestand hat heute alle Aufmerksamkeit aufgesaugt; es ist zum Mittelpunkt des Strebens geworden — ob man es abstreitet oder verharmlost. Es entzieht die Aufmerksamkeit dem Sozialen. Wir haben keine Aufmerksamkeit mehr für Mitmenschen, weil der Mammon sie in Anspruch nimmt. Darum verfallen Schulen oder liegen die Alten in ihren Exkrementen in den Heimen. Darum sind künstliche Hüftgelenke, Knie-OPs und Botox-Behandlungen häufiger als Prophylaxe oder Kuren. Die ständige Bewegung unserer Selbst hat die ständige Bewegung des Geldes zur Folge. Wie Lymphe bewegt es sich nur dann, wenn wir arbeiten, unsere Muskeln bewegen. Die Lymphe ist zur Waffe gegen Sorge, Elend und Verwahrlosung geworden. Doch der Körper besteht aus so vielem mehr.

Der Logik der Märkte nach ist es Aufgabe des eigenverantwortlichen aufgeklärten Menschen, sich vernunftvoll zu behaupten. In seiner verkürzten Version der Neuzeit liegt das Egozentrische tief in dieser Aufforderung, vernünftiger Mensch zu sein, dem der vernünftige Mensch nichts engegen zu setzen hat. Die Perfidität der Konsequenzen ist nicht neu. Man stelle sich den trickle down Kapitalismus als die Mundwinkel eines Riesen vor, aus denen die Brotkrumen rieseln von denen wir uns ernähren. Die Logik gebietet, den Riesen weiterhin mit Brot und Kuchen und Wein zu versorgen, damit der Fluß nicht abreißt. An dieser Logik ist nichts auszusetzen, aber an ihrer stark reduzierten Vernunft.

Die Kaffeepresse

Es gibt ein Modell; ich nenne es “die Kaffeepresse”. In ihr schwebt der Kaffee unter der Presse, am unteren Rand lösen sich kleine Teilchen und sinken zu Boden. Die Abgehängten. Die Kaffeepartikel darüber sind jene des sich auflösenden Mittelstandes, nach oben hin befinden sich all jene, denen ihre Mühe ein Auskommen beschert — vom Facharbeiter bis zum Oberarzt. All die, welche sich unterhalb dieser Presse versammeln, arbeiten, produzieren, leisten. Sie befinden sich in einem vom “oben” getrennten Raum. Man kann ihn mit dem von Zentralbanken protektorierten Regionen gleichsetzen. Dort, wo die Banken die Preise stabil halten und wo das Geld einen stabilen Wert behalten soll. Dort, wo die Milch, das Brot, die Butter keine Tausende kosten, sondern einen Bruchteil des durchschnittlichen Verdienstes der kleinen Partikel unterhalb der Kaffeepresse. Diese protektionierten Gebiete sollen von der Hyperinflation fern gehalten werden, die sich überhalb dieser Zone abspielt. Dort, wo ohne Arbeit Geld vermehrt wird. An Börsen, bzw. in den Wettbüros der Welt, in Unternehmen deren Galleonsfiguren im Minutentakt hundertausende anhäufen, etc. Dort ist das Geld ohne Wert, weil es nicht verdient wird. Es steht im — Fetisch oder nicht — kein Gegenwert gegenüber, sondern bildet und vernichtet sich aus seinem eigenen Wert und Einsatz. Aus Zinsen und Zockerei, aus Expektanzen, Optionen und Leverages. Diese Welt ungezügelter Hyper-Depression und Hyper-Inflation liegt jenseits der protektorierten Gebiete, denn seine Instabilität soll sich nicht auf Gesellschaften auswirken. Und doch ist es schon längt im Gange: Wo das Geld in solchen Mengen akkumuliert ist, dass weder die Arbeitskraft noch die Ressourcen der Welt seiner Quantität gerecht werden können, fließt es in das einzige Unreproduzierbare und fest Quantifizierte: Grund und Boden. 

Sobald das Geld eines hyper-inflationären Marktes in Immobilien fließt, wirkt es unmittelbar auf jene im protektionierten Gebiet unterhalb der Kaffeepresse. In praktikableren Termini: Wo Preise von Wohnungen, Häusern und Grundstücken in die Höhe schießen, muß härter gearbeitet werden, um sie sich leisten zu können. Die Unerbittlichkeit des Marktes greift hier auf all jene, die sich die Milch zwar leisten können, aber kein Dach haben, unter dem sie steht. Was bleibt den Arbeitenden, außer härter zu arbeiten oder sich länger zu verschulden? Und wo ist die Grenze, an der Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen? Der Fetisch Geld verlangt und immer mehr Aufmerksamkeit ab, während das Soziale verkümmert und wir Gott und den Führern Ablaß zahlen, weil sie uns scheinbar ernst nehmen, weil sie uns als Menschen sehen. Als Menschen, deren Eigenverantwortung nicht mehr das leisten kann, was ein Markt von ihr fordert. Und als Menschen, die sich fürchten, jeglichen Halt zu verlieren, wenn der Fetisch seinen Wert verliert. Das Dilemma eines in die Irre geführten Wesens, das sich als geistig-autnom begreift und doch verlernt hat, vernünftig zu sein, macht die Zeit zu einer Scheiß-Zeit in der wir leben.


Wir kennen die Argumente der Ökonomen. Sie verstecken sich hinter Statistiken, wenn es um Anstieg und Fall von Immobilienpreisen geht. Das „Gesetz“ von Angebot und Nachfrage ist unhinterfragte Begründung. Jüngst veröffentlichte capital.de (Link unten) eine Rangliste der Länder, in denen Hauspreise kürzlich angestiegen sind. In Schweden beispielsweise um mehr als das dreifache in einem Jahr.