Impfskepsis

Die einleitenden Fragen des ZDF-Zoom Berichts vom 17. Februar 2021 lautete: „Was macht der Corona-Impfstoff mit den Menschen? Hat er Nebenwirkungen? Ist er wirklich gut verträglich?“

ZDF Zoom berichtet von einem Kinderarzt, welcher Kritik an der gegenwärtigen Impfstrategie übt. Zum einen seien die Impfungen ein Experiment, denn die Langzeitwirkungen sind unbekannt. Das ist offensichtlich, denn Langzeitwirkungen werden erst auf lange Zeit empirisch erkennbar. Zudem führt der Arzt die Verhältnismäßigkeit an. Demnach seien die Symptome für bis zu 85% der Betroffenen kaum spürbar.

Ein Schnitt geht zum Klinikum „Rechts der Isar“, wo die Emotionen in‘s Spiel kommen. Man vermischt sofort zwei Kategorien: Der Ausschnitt einer Intensivstation verändert nicht den Fakt, daß hier (nach ungeklärter Aussage des Kinderarztes) maximal 15 Prozent der durch Covid infizierten Bevölkerung behandelt werden. Das ist offenbar zuviel für unser Gesundheitswesen. Die Gründe dafür wurden an anderen Stellen schon erläutert. Nicht jedoch in diesem Bericht.

„Dumme Menschen“, empfindet die Schwester, welche zunächst selbst impfskeptisch war. Sie hatte die Dokumente zu Risiken und Nebenwirkungen studiert und war inzwischen überzeugt, dass eine Impfung der richtige Weg sei. Statt auf den Inhalt dieser Nebenwirkungen einzugehen, folgt die Überleitung zu Verschwörungstheorien auf dem Fuß. Der Diskurs gleitet sofort in emotionale, persönlich kategorisierende Dimensionen und entfernt sich von der Sache.

Wie wäre es gewesen, die Dokumentation so aufzubauen:

1. Die Kritik des Kinderarztes, der von ihm proklamierte Fakt, dass bei rund 85% der Bevölkerung keine Symptome auftreten.

2. Die wissenschaftlich fundierte Gegenmeinung und die Risiken (beider Möglichkeiten: Impfung oder nicht) aufzeigen.

3. Ein Resümee, dass nicht polarisiert, sondern zum Stoff zum Nachdenken gibt.

Stattdessen fokussiert die Reportage auf Kritiker und deren Unmöglichmachung. Man spricht von der „Szene“ der Coronakritiker und rückt sie letztenendes allesamt in die Nähe der von Coronaleugnern. Polarisierung.

Karl Lauterbach kommt ins Bild. „Für diejenigen, die die Impfung kritisch hinterfragen, sind wir jederzeit offen. Die kleine Gruppe der radikalen Impfgegner und der ideologisch festgelegten Leute — die werden wir durch Argumentation und Überzeugung nicht erreichen. Es gibt eben keine Diskussion auf der Grundlage einer Verschwörungstheorie.“ Stellt die Dokumentation des ZDF den Kinderarzt durch das Format des Beitrags damit nicht in eine Ecke? Wohlgemerkt: Nicht die Kritik des Kinderarztes wird verworfen, sondern seine Person kategorisiert. Der Bericht bringt keine inhaltlichen Argumente ins Spiel, sondern baut Einstellungen gegen „unvernünftige“ Menschen auf. Er driftet viel zu schnell auf die kleine Gruppe der Verschwörungstheoretiker ab, indem er sie auf ein Podest hebt. Der emotionale Fokus des Zuschauers, der Ich-bezogen Vergleiche zieht, richtet sich sensibel auf den Fakt, dass „das ZDF“ jegliche Kritik dieser Gruppe der „dummen Menschen“ zuordnet. Sicher nicht absichtlich, doch es ist „nur so ein Gefühl.“

Lauterbach fordert berufsrechtliche Sanktionen für Ärzte, die Kritik äußern, der Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz unterstützt den Vorschlag. Jene Kollegen stünden unter Beobachtung und werden bei Verstoß gegen die Corona-Verordnungen sanktioniert. Dabei ist die Rolle des Kinderarztes nicht geklärt. Verträgt sich diese Formalität mit der Sache? Sind gerade nicht Ärzte diejenigen, deren Diskurs wichtig ist, um differenzierte Entscheidungen zu treffen? Die Frage bleibt offen; nämlich, wer festlegt, welches die richtige Auffassung zur Pandemie sei.

Die Formate der Medien sind problematisch. Es ist unbedachter Journalismus, der sich an Oberflächen bewegt. Es gleicht diesen Inhalten, wo man Foucault als pädophil hinstellt, Hannah Arendt als antisemitisch, Karl Marx als Ausbeuter seiner Haushälterin. Nicht, dass diese Umstände nicht berichtenswert seien — sie gehören jedoch auf ein anderes Blatt. Diese Vermischung von Person und Sache deckt allenfalls menschliche Schwäche auf und erzeugt Voreingenommenheit gegenüber Inhalten. Sie trägt zu einer allgemein vorherrschenden Verwirrung bei.

Es ist nicht allein „Aufgabe der Politik“, wie es im Abschluß der Reportage heißt, der Bevölkerung Vertrauen zu geben. Es ist auch und besonders Aufgabe der vierten Gewalt einen fundierten Dialog zu ermöglichen. Gerade jetzt, wo die Bevölkerung, aufgeladen durch einen mißverstanden Freiheitsbegriff, für simpelste Polarisierung offen ist.