Trump, Musk und das Diktat der Herzen

Fuligo septica, Gelbe Lohblüte, Hexenbutter
Alle gegenwärtigen Diktatoren haben gemein, dass sie sich als Verteidiger der Freiheit gegenüber Andersdenkender sehen. Kritiker sind Konkurrenten, die Anspruch auf den Thron geltend machen und einem den Tod bringen wollen. Es ist egal wie fern oder nahe der Wirklichkeit ein Diktator denkt - er verteidigt sich selbst, sein Weltbild bis auf sein Leben.

Die neuen Rechten denken, die Leute hätten vergessen, was Diktatur bedeutet. Putin, Trump oder Orban unterscheiden sich nur in ihren diktatorischen „Phasen“. Putin ist ein alter Hase, der seinem Volk seine Lügen mit dem aggressivem Unterton der Strafe bei Ungehorsam aufzwingt. Orban folgt probt den Aufstand hin und wieder, um zu sehen, ob die „kritische Masse“ der Mitläufer schon erreicht ist. Je geringer die Gegenproteste, umso näher ist er seinem Ziel zum Mini-Putin. 

Trump ist eine groteskte Mischung: Ein Diktator der Ellenbogen, der von politischem Diktat noch wenig Ahnung hat. Sein Anspruch ist für ihn das Resultat einer Geschäftstüchtigkeit, von alten Glamour seines Namens. Davon hat Trump aber Ahnung: von der Kraft der simplen, aber gut designten Botschaften. Die Milgram-Experimente aus den 1960ern in den USA, untersuchten das menschliche Verhalten. Stanley Milgram wollte aufklären wie es zu einem bedingungslosen Gehorsam unter der Diktatur der Nazis kommen konnte.

In Milgrams Experimenten genügten einfache Gesten, wie das Hinaufstarren in den Himmel, dem sich immer mehr Passanten anschlossen. Oder die autoritäre Anweisung eines Mannes im weißen Laborkittel, bei der viele Versuchspersonen einer anderen (theoretisch) tödliche Stromschläge versetzt hätten. Die klare, einfache Nachricht und der Schein des Autoritären sind Trumps Methode. Seine Autorität ist sein Status als Geschäftsmann und nach seiner Wiederwahl ist er battle proven president. Jemand, der „die Herzen des Volkes gewinnt“, wie Goebbels sprach; jemand, der Martyrer sein könnte und für den man sein Leben gibt. Für den man irgendwann tötet.

Diese Hingabe, die er sich von seinen Anhängern erträumt, steckt vergleichsweise noch am Beginn der Diktatur USA. Elon Musk legt die Hand an’s Herz und macht den Hitlergruß. Ein Test, wieviele Herzen man schon gewonnen hat. Auch wenn sich in den USA und der Welt Widerstand regt: Jeder Tag Musks und Trumps in Amt und Autorität stärkt deren Größenwahn. Solche Einbildung ist gefährlich, weil sie sich einerseits durch Echokammern der Anhänger selbst verstärkt, aber immer von der Realität eingeholt wird. Einbildung wehrt sich, sobald das eigene Weltbild in Frage gestellt wird, und wird dabei immer aggressiver in ihrer Verteidigung.

Technokratie als Bestätigung der Einfalt

Das gilt auch für die Regierten. Menschen im Westen scheinen zum Teil auf einem fairy tale Niveau im politischen Denken angekommen zu sein: Die Nachricht fundamental einfach, ihre Ausführung künstlerisch auf höchstem Niveau. Zum Beispiel auf dem eines Tesla Autos. Oder gegen die ausgefeilten Darstellungen von Desinformationen von abhängigen Medien. Das beginnt schon mit zweideutigen Überschriften und Ausrufezeichen. Gegen das Design, die Technologie und das Visionäre darin „kann man nichts sagen“.

Einfältigkeit kämpft um Territorium. Sie ist eine neuroplastische Angelegenheit; geistige Substanz der neuronalen Verbindungen. Sie funktioniert einfach. Indem eine Botschaft oft genug wiederholt wird, wird aus ihr Vertrauen. Neurowissenschaftlich findet sich das in immer stärker ausgeprägten neuronalen Verbindungen im Gehirn. Sie sind da und mit ihnen ist eine Wahrheit vom Zustand der Welt im Kopf. Dieser Zustand fundamentalisiert sich, je einseitiger Erfahrungen gemacht werden. Klarere, stärkere Muster im Gehirn, schließen nach und nach umliegende Erfahrungsmuster vom elektrischen Impuls aus. Der Blick verengt sich.

Die Autorität der Wissenschaft wird gerade durch die Autorität der „Erfolgreichen“ verdrängt. Es ist ein Ethos des Fortschritts, der Visionäres (Musk) und gut Vernetztes (Trump) vor die Wissenschaft rückt. Es sind die Unternehmer, welche aus Wissenschaftlern nützliche Idioten machen wollen. Denn der Boss hat die Kontrolle und vor allem die Vision. Diese „Beamten, welche die Freiheit zu ernst nehmen“ (Camus), tragen sie derzeit zu Grabe.

Jemand wie Trump sieht sich auf einem Gipfel statt im Dienst des Volkes. Er ist boss, wird beraten, aber entscheidet selbst über richtig und falsch. Er teilt die Welt in gut und böse ein und urteilt danach. Weil eine Person sich selbst in Frage stellen würde, wenn sie ihre Überzeugung anzweifelte, ist dasselbe für den smartest president undenkbar. Immer weniger jedenfalls, solange er keinen Widerspruch erfährt. Irgendwie hat man bei Trump das Gefühl, dass er im Grunde gar kein Diktator sein, sondern es einem affektierten Publikum recht machen will. Der Nebeneffekt: Profit, zumindest für den engen Kreis. Wenn er auf Twitter vom „Kaufen“ von Aktien redet, um darauf die Zölle auszusetzen, wirft er seinen Fans immerhin ein paar Knochen zu. 

Die Gemeinschaft

Diktator-Sein bedeutet nicht einfach, aus pathologischen Trieb seine Mitmenschen zum Untertanen-Sein zu verdammen. Sie sind gleichgültig, solange sie den Werten folgen. Diktatoren fallen in einem pathologischen Zustand von Rechthaberei und Empathielosigkeit, sobald sie sich nicht mehr zu rechtfertigen glauben, weil man sich lange nicht mehr rechtfertigen mußte.

Trotzdem ist der Grundgedanke der Gemeinschaft immer das wichtigste Instrument des Diktators. Gemeinschaft findet sich im Sozialismus und Nationalsozialismus, in der NRA, in der ISIS und in der kleinsten Bruderschaft. Er wurzelt in Identität. Jemandem Identität zu geben, die vorzüglich ist vor allen anderen, ist etwas, das eine Person gerne aufnimmt. Denn sie fühlt sich wertgeschätzt. Wer in diesem Sinne als Amerikaner oder Deutscher geschätzt wird, kann das nicht ohne Stolz sein. Ist diese Weltsicht im Kopf, wird jede Kritik an der eigenen Meinung zur Infragestellung der eigenen geistigen Integrität. Eine Person wehrt sich gegen diese Dissonanz, je tiefer sie fundamentalistisch eingestellt ist. Alle Kritik greift ihnen immer tiefer in die Persönlichkeit ein.

Befreiung ist immer Kern der Botschaft

Aufklärung ist ein Prozess. Die Wirklichkeit um und in uns ändert sich fortwährend. Je fundamentaler eine innere Wirklichkeit durch Konditionierung und Neuroplastizität geprägt ist, umso wahrscheinlicher sind Konfrontationen mit ihr. Anfänglich bestätigt eine dissonante Wirklichkeit die eigene Weltsicht: Trotz und Ablehnung ihrer Faktizität, aber zugleich tieferer Fundamentalismus. Denn „die sind gegen uns“, gegen mich. Man sieht sich als Opfer, das ob seines Stolzes zum Kampf in der Lage ist. Kampf wird zum Mittel zur Befreiung. So werden aus offenen Personen verschlossene Menschen. Für die „offene Gesellschaft“ (und ihre Feinde) nach Karl Popper ist das der Todesstoß. Seine Theorie kam nicht ohne Korrektur aus, denn „wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

Trump und seine Anhänger reiten eine Welle der anfänglichen Begeisterung und der Überzeugung, dass jeder Widerstand des Systems eine Offenbarung seines Fehlers ist. Trumps starre Weltsicht und seine tiefen Überzeugungen haben unwichtige Inhalte. Ob er glaubt, was er sagt oder ob er zynisch ist, ist unwichtig. Alleine die Existenz dieser fundamentalistischen Einstellung zur Wirklichkeit machen seine Macht gefährlich für alle, die unabhängig bleiben wollen.

Erdogan sperrt Juristen, Journalisten und alle Andersdenkenden ein und bemerkt nach Jahren keine ernstzunehmende Kritik mehr. Seine eigene Adaption an die von ihm „gesäuberte“ Umwelt bestärkt seinen Glauben, indem Erdogan immer tiefer überzeugt sein wird, dass die Masse zuletzt hinter ihm stehen werde. Es wird zur Selbstverständlichkeit, dass gehorcht und gedient wird. Womöglich ist dieser Punkt gerade überschritten. Hochmut und Gewalt kommen vor dem Fall.

Alle gegenwärtigen Diktatoren haben gemein, dass sie sich als Verteidiger der Freiheit gegenüber Andersdenkender sehen. Kritiker sind Konkurrenten, die Anspruch auf den Thron geltend machen und einem den Tod bringen wollen. Es ist egal wie fern oder nahe der Wirklichkeit ein Diktator denkt – er verteidigt sich selbst, sein Weltbild bis auf sein Leben.

Das erwartet er von seinem Gefolge: Zuerst sich als unfrei zu begreifen. Dann aktionistisch zu werden, aus freiem Willen. Ähnlich, wenn The Coca Cola Company behauptet, eine Zuckersteuer nähme uns Verbrauchern die Freiheit der Wahl.

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